Breimanns Blog

Le Jardin Secret

Von der Antike zur Moderne: Gartenkunst in Marrakesch

03.05.2025
Jardin

Ein Garten wie ein Flüstern aus der Vergangenheit

Ich bin in Marrakesch. Genauer gesagt: mitten im „Geheimen Garten". Le Jardin Secret, wie er hier heißt – ein Name, der bis heute zutrifft. Versteckt inmitten der Altstadt, umgeben vom Trubel der Souks, liegt eine Oase, die Geschichte atmet und zugleich überraschend modern wirkt. Ein Ort, der das zeigt, was gute Gärten ausmacht: Ruhe, Sinnlichkeit, Schichtung. Und Wasser – viel Wasser.

Wiederentdeckung eines verlorenen Paradieses

Der Ursprung dieses Gartens reicht zurück bis ins 16. Jahrhundert, als der Saadier-Sultan Moulay Abdallah hier eine Palastanlage mit Gärten errichten ließ. Später verfiel der Ort, wie es so oft geschieht, und verschwand fast in der Vergessenheit. Erst ein kluger Investor – der Italiener Lauro Milan – hatte den Mut – und das Gespür –, diesen verwunschenen Ort wiederzubeleben. Mit dabei: mein geschätzter Kollege Tom Stuart-Smith. Tom hat hier Großartiges geleistet, weil er – wie ich finde – das seltene Talent besitzt, historische Tiefe mit gestalterischer Leichtigkeit zu verbinden.

Zwei Gärten, zwei Welten – in perfekter Harmonie

Was mich besonders fasziniert hat: Die Anlage besteht aus zwei Gärten, die unterschiedlicher kaum sein könnten – und genau darin liegt ihr Zauber. Da ist auf der einen Seite ein klassischer, axialsymmetrischer Garten, streng nach islamischer Geometrie komponiert: viergeteilt, mit Wasserläufen, Oliven- und Zitrusbäumen – fast archaisch in seiner Ruhe. Und auf der anderen Seite: eine mediterrane Hommage. Ein üppiger Garten, inspiriert vom Mittelmeerraum, der fünfmal auf der Welt in vergleichbarer Form vorkommt – von Kalifornien bis Südafrika.

Ein Stück Mallorca in Marrakesch

Wir selbst haben so etwas vor Kurzem auf Mallorca gestaltet. Wir nannten ihn „Arizona", weil das Klima, die Lichtverhältnisse und die Pflanzenauswahl eher an die trocken-heiße Wüste erinnern als an klassisches Mittelmeergrün. Was alle diese Gärten eint, ist ihre Fähigkeit, trotz widriger Bedingungen einen Lebensraum zu schaffen, der uns berührt. Das ist die eigentliche Kunst.

Wasser als archaische Lebensader

Im Jardin Secret zeigt sich diese Kunst besonders eindrucksvoll in der Wasserführung. Während im Eingangsbereich bewusst sparsam mit Wasser umgegangen wird, offenbart sich im Herzen der Anlage ein wahres Meisterwerk historischer Wasserkunst. Die Technik dahinter stammt aus der Antike: Wasser wird vom Hohen Atlas in riesige unterirdische Zisternen geleitet und gezielt in die Gartenanlage eingespeist. Ohne dieses ausgeklügelte System wäre kein Wachstum möglich. Und ohne Wachstum – kein Garten.

Tradition trifft Feinsinn: Das Werk von Tom Stuart-Smith

Tom Stuart-Smith hat sich hier tief verneigt vor der Geschichte dieses Ortes. Er hat archäologische Erkenntnisse einfließen lassen, alte Wasserläufe freigelegt, mit lokalen Gärtnereien zusammengearbeitet und eine Pflanzenauswahl getroffen, die gleichzeitig respektvoll und eigenständig ist. Im islamischen Garten hat er etwa mit zarten Unterpflanzungen gearbeitet – eine Anlehnung an das persische Konzept des bustan, des duftenden Obstgartens.

Ein Garten ohne Ego – dafür mit Seele

Mich berührt besonders die Haltung, mit der dieser Ort wieder zum Leben erweckt wurde. Keine Spur von gestalterischem Ego. Keine Effekthascherei. Stattdessen: Demut vor dem Ort. Der Wunsch, etwas Dauerhaftes, Sinnstiftendes zu schaffen. Einen Garten, der nicht nur schön ist, sondern auch gebraucht wird – als Rückzugsort, als Lernraum, als Treffpunkt.

Ein lebendiges Denkmal in der roten Stadt

Le Jardin Secret ist heute ein kulturelles Juwel Marrakeschs. Ein Beispiel dafür, wie man mit Wissen, Respekt und Liebe zur Natur aus Ruinen wieder Sehnsuchtsorte macht. Solche Orte brauchen wir mehr denn je. Orte, die uns entschleunigen, inspirieren und zeigen, was möglich ist, wenn Tradition auf zeitgemäße Gestaltung trifft.

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