Immer werde ich gefragt: Kann man Oliven im Norden anpflanzen? In Berlin, Hamburg, in Deutschland? Weil es ja im Zuge des Klimawandels wärmer wird? Und kann man bald in Berlin Olivenöl herstellen?
Nein, kann man nicht.
Selbst wenn es in Hamburg, Berlin und Bochum irgendwann mal so warm wird wie im Süden – was nicht ausgeschlossen ist – wird die Olive keine Früchte tragen. Jedenfalls keine, aus denen sich Öl gewinnen lässt.
Also grundsätzlich: Olivenölproduktion nördlich der Alpen – klappt nicht, geht nicht, wird nichts. Zu hundert Prozent.
Das Missverständnis beginnt da, wo Leute glauben, Wärme reiche aus. Stimmt aber nicht. Es geht nicht um Grad Celsius – es geht um Licht. Um die Lux-Zahl. Und davon gibt es im Norden einfach zu wenig. Auch im Sommer. Auch bei Klimawandel.
Oliven sind lichtgierig – wir sagen in der Botanik: lichtgeil. Sie brauchen das hellste Licht, das wir auf dieser Erde haben. Und das findet sich interessanterweise nicht etwa am Äquator – zu viele Wolken – sondern im Mittelmeergebiet. Blauer Himmel, monatelang. Hier gibt's the brightest light. Und das ist kein poetisches Bild – das ist eine Lux-Zahl.
Dass die Olive lichtgierig ist (sie braucht über 3000 Sonnenstunden pro Jahr), sieht man schon an der Blattfarbe: silbergrau. Graulaubige Pflanzen haben sich über Jahrtausende an genau diese Lichtverhältnisse angepasst. Graulaubige Pflanzen sind die Lichthungrigen.
Die Olive blüht im April. Da ist hier im Süden schon alles hell. Dann geht's los mit Wachstum, Photosynthese, Fruchtansatz. Und die Reife passiert erst im Spätherbst – im November. Genau da ist im Norden die Lichtuhr längst abgelaufen. Es kommt also nie zur vollen Fruchtausbildung.
Und dann: Fünf Monate Dunkelheit. Zu wenig Licht. Zu wenig Energie. Das ist Pflanzenquälerei. Oberhalb der Alpen wird es kaum glückliche, zufriedene Oliven geben. Und Olivenöl schon gar nicht.
Selbst am Gardasee ist der Olivenanbau schon schwierig. Die Oliven dort sind sozusagen die letzten Vorposten. Und das ist noch südlich der Alpen.
Die Olive ist nicht allein mit diesem Problem. Der Lavendel ist das beste Beispiel. Auch graulaubig, auch sonnenhungrig – und deswegen geht es ihm nie wirklich gut in Deutschland. In Hamburg hält er drei, vier Jahre durch, dann war's das.
Letztens wurde ich in der Lüneburger Heide zu einem „Lavendelfeld" geführt – ein trauriger Anblick. Und kein Vergleich zu dem, was in der Provence aufblüht, wo der Lavendel die Lux-Zahl bekommt, die er braucht.
Es verhält sich mit dem Lavendel wie mit der Olive: ihre erfolgreiche Ansiedlung im Norden scheitert an fundamentalen Standortgesetzen.
Oliven werden nebenbei auch bestäubt – nicht nur durch Wind, sondern durch spezialisierte Wildbienen, die es im Norden nicht gibt. Das Zusammenspiel von Licht, Temperatur, Luftbewegung, Insekten – das alles ist ein hochspezialisiertes System. Gewachsen über Jahrtausende. Das kann man nicht einfach kopieren, nur weil's im Norden ein bisschen wärmer wird.
Mit Wein allerdings geht's! Denn Wein ruht. Monatelang. Wein ist laubabwerfend. Kann mit Frost umgehen, solange er danach zur Ruhe kommt. Aber weil er laubabwerfend, ruhend und generell weniger lichtgierig ist, kommt er mit der Lux-Zahl im Norden klar.
Die Olive ist immergrün, braucht also ständig Energie – also Licht. Viel Licht. Immer. Ohne Pause, ohne Winterschlaf.
Theoretisch kann man einen Olivenbaum schon anpflanzen. Früchte wird er aber nicht tragen. Jedenfalls keine, aus denen sich Öl gewinnen lässt. Und das ist für mich Pflanzenquälerei. Die Olive ist ein positiver, wunderbarer Baum, voller Symbolkraft – aber sie gedeiht eben nicht bei uns. Auch nicht im Topf. Sie fühlen sich einfach nicht wohl, weil ihnen das fehlt, was sie groß gemacht hat: Das Licht.
Olivenöl nördlich der Alpen? Bleibt Wunschdenken.
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